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Japans Börse hat die Anleger über Jahrzehnte enttäuscht. 2013 gelang jedoch – Abenomics sei Dank – die beste Performance seit 14 Jahren. Das ehrgeizige Experiment von Premier Shinzo Abe und seiner Regierung verzeichnete erste Erfolge, die sich auch an den Märkten niederschlugen. Die Ziele dieses radikalen Programms: Japans seit Jahrzehnten stagnierende Wirtschaft soll belebt werden. Gleichzeitig will man die Deflationsspirale durchbrechen, die bislang die Unternehmensinvestitionen und den privaten Verbrauch gebremst hat.

Der Beitrag „Investieren in Japan – Die Auswirkungen der Abenomics", den ich im September auf diesem Blog veröffentlichte, gab einen Überblick darüber, wofür Abenomics steht, warum die Politik eingeführt wurde, welche Risiken damit verbunden sind und wie sie unsere Anlageentscheidungen in Japan beeinflusst. Heute möchte ich näher auf die mit dem Programm verbundenen Strukturreformen eingehen.

Die dritte Säule der Abenomics

Abenomics basiert auf drei Säulen: Geldpolitik, fiskalpolitische Konjunkturprogramme und Strukturreformen. Während unter Volkswirten kontrovers diskutiert wird, inwiefern die Geld- und Fiskalkomponenten sinnvoll sind oder sogar gefährlich, herrscht mit Blick auf die Strukturreformen weitgehend Einigkeit: Sie bilden das wichtigste Element der Abenomics und spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Experiments. Unter dem Slogan „Japan is back" fordern diese Reformen die Entwicklung von Wachstumsstrategien. Wenn die Initiativen erfolgreich umgesetzt werden, könnten sie eine positive Wirkungskette begründen, bei der Produktivitätssteigerungen der Unternehmen und Lohnerhöhungen zu einem robusteren Wirtschaftswachstum führen. Da wir fundamentale Anleger sind und unser Blick auf die einzelnen Unternehmen gerichtet ist (statt auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen), liegt hier aus unserer Sicht das interessanteste Element der Abenomics: Die erfolgreiche Umsetzung könnte das Geschäftsumfeld für japanische Unternehmen erheblich verbessern.

Wer verstehen möchte, wieso diese Strukturreformen so unverzichtbar sind, muss zunächst begreifen, warum Japan nach dem Zusammenbruch der Wirtschafts- und Finanzblase Ende der 1980er-Jahre nie mehr auf einen steten Wachstumspfad zurückkehrte. Auf der Website des Asian Century Institute wurde kürzlich der Artikel „Why did Japan stop growing" veröffentlicht. Der Autor beschreibt dort, warum und wie die Schwierigkeiten entstanden, gegen die Japan bereits seit Jahrzehnten ankämpft. Das Land wird durch mehrere gravierende Probleme belastet, die eine Steigerung der Zahl der Erwerbstätigen sowie der Rentabilität der Unternehmen – zwei für reales Wirtschaftswachstum unabdingbare Faktoren – fortwährend verhindern.

Japans wirtschaftliche und soziale Probleme

Einerseits schrumpft die japanische Erwerbsbevölkerung infolge der sehr niedrigen Geburtenrate in alarmierender Geschwindigkeit. Dieser demografische Trend ließe sich nur durch eine Lockerung der sehr restriktiven Immigrationspolitik und eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung japanischer Frauen umkehren.

Andererseits stechen japanische Unternehmen im internationalen Vergleich durch ihre niedrige Rentabilitäthervor.

Hierfür sind mehrere Ursachen auszumachen:
  • In vielen Branchen führen umfangreiche staatliche Regulierungen zu einer sehr niedrigen Produktivität, während sie gleichzeitig Innovation verhindern. Die Tatsache, dass die Dienstleistungsbranche als potenzieller Wachstumssektor in einer reifen Volkswirtschaft kaum liberalisiert wurde, bremst die Wirtschaft insgesamt. Protektionistische Maßnahmen in der Landwirtschaft kamen das Land ebenfalls teuer zu stehen, verstimmten Handelspartner und führten zu einer Überkapitalisierung des Agrarsektors bei geringer Produktivität.
  • Die Einfuhren nach Japan, der Zufluss ausländischer Investitionen sowie die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte sind in Japan sehr gering. Eine verstärkte Öffnung des Marktes für Einfuhren käme Wettbewerb, Effizienz und Innovationskraft zugute.
  • Bis zu einem gewissen Grad hat Japan auch in exportorientierten Branchen seine Innovationskultur eingebüßt: Ehemalige Elektronik-Größen wie Sony und Sharp schreiben heute Verluste, weil sie gegen ausländische Wettbewerber wie Apple oder Samsung nicht bestehen können.
  • In Japan hat es Tradition, unrentable, mit Verlust arbeitende Unternehmen, sogenannte Zombie-Unternehmen, am Leben zu erhalten: Große Konzerne scheuen sich, verlustbringende Geschäftsbereiche zu schließen. Dies verhindert den gesunden Prozess einer schöpferischen Zerstörung, bei dem unrentable Unternehmen in Konkurs gehen und verschwinden und starke, innovative Firmen größere Expansionsanreize erhalten.
  • Japans hat ein sehr starres Beschäftigungs- und Entlohnungssystem, das auf die lebenslange Bindung an einen einzigen Arbeitgeber ausgerichtet ist: Bonuszahlungen basieren weitgehend nicht auf Leistung, sondern auf der Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Wachstumsstrategien

Die Regierung will mit ihren geplanten Strukturreformen das Umfeld für Unternehmen verbessern und die meisten der oben angesprochenen Themen angehen. Im Juni 2013 verabschiedete sie ein Wachstumspaket und leitete die Umsetzung verschiedener Maßnahmen ein, die Strukturreformen fördern und die Nachfrage aus dem In- und Ausland ankurbeln dürften.

Hier einige Beispiele:
  • Mit der Reform des Beschäftigungssystems sollen die Flexibilität der Arbeitnehmer erhöht und dieFrauenerwerbsquote gesteigert werden. Den langen Wartelisten der Kinderbetreuungseinrichtungen will die Regierung mit der Schaffung neuer Betreuungsplätze entgegentreten. Außerdem sind Maßnahmen zur Erleichterung der Arbeitnehmerimmigration vorgesehen.
  • Zur Produktivitätssteigerung im Agrarbereich sind Reformen geplant, um die Konzentration und Konsolidierung der Landwirtschaft zu fördern.
  • Schaffung von Sonderwirtschaftszonen: Die führenden Städte Japans könnten zu strategischen Sonderwirtschaftszonen mit steuerlichen Erleichterungen, weniger Regulierung und vereinfachten Verwaltungsverfahren für Unternehmen erklärt werden.
  • Aushandlung strategischer Wirtschaftspartnerschaften, um den Anteil an Japans internationalem Handel, der unter Freihandelsabkommen fällt, deutlich zu erhöhen (z.B. Beitritt zur Transpazifischen Partnerschaft TPP).
  • Politische Maßnahmen, um das Potenzial des bislang unterentwickelten Tourismussektors besser auszuschöpfen und den Tourismusbeitrag zum Wirtschaftswachstum zu steigern (z.B. Visaerleichterungen für Besucher aus Südostasien).

Diese Aufzählung ist keineswegs erschöpfend. Weitere Einblicke in die geplanten Reformen gibt der Artikel„The Third Arrow of Abenomics: What economic picture will it draw in the middle-term?" von Akio Egawa auf Bruegel.org.

Ertragssteigerung der Unternehmen als Chance für Anleger

Die Umsetzung dieser Strukturreformen wird nicht nur mehr Zeit in Anspruch nehmen als die bislang ergriffenen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen, sie erfordert auch einen nationalen Konsens zwischen Unternehmen, Regierung und Gewerkschaften. In der Vergangenheit bewies Japan mehrfach, dass die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhält, um notwendige Veränderungen zu verankern. Während der Meiji-Restoration Ende des 19. Jahrhunderts fanden beispielsweise drastische soziale und politische Änderungen statt. Das Land öffnete sich nach Westen, schafft das Feudalsystem ab und führte eine moderne Verfassung ein. Zusammen mit dem Import neuer Technologien führte dies zu einer Explosion der Industrieproduktivität und des Wirtschaftswachstums. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich das Land von einem militärischen Kaiserreich zu einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft. Dank der Konzentration auf die Wirtschaftskraft gelang ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum, das Japan zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt avancieren ließ.

Heute muss Japan auf ein Neues beweisen, dass seine Gesellschaft große Herausforderungen bewältigen und die nötigen Änderungen zulassen kann, um der Wirtschaft tatkräftig auf die Sprünge zu helfen. Ein erster positiver Trend lässt sich bereits ausmachen: Japanische Unternehmen planen vermehrt ihrer Ausschüttungsquote für Dividenden zu erhöhen und achten verstärkt auf ihre Profitabilität. Für Aktienanleger könnte dies interessante Chancen eröffnen, denn im internationalen Vergleich belegten Japans Unternehmen in puncto Rentabilität bisher traditionell einen abgeschlagenen Platz. Während die Margen in anderen Regionen der Welt bereits auf historisch hohe Niveaus geklettert sind (z.B. USA), besteht in Japan durchaus noch Steigerungspotenzial. Dank einer deutlichen Verbesserung auf der Gewinn- und Profitabilitätsebene konnten Japans Unternehmen im Jahr 2013 den Abstand zu internationalen Wettbewerbern bei der Eigenkapitalrendite (ROE) bereits signifikant reduzieren.

Unterschied in der Eigenkapitalrendite (ROE) zwischen Japan (Topix) und dem MSCI World

Quelle: Bloomberg

 

Die Einführung eines neuen Börsenindexes als Anzeichen eines Mentalitätswandels

Japans Mentalitätswandel zeigt sich auch in der Einführung eines Börsenindexes, der die 400 rentabelsten  (gemessen am ROE) Unternehmen des Landes umfasst. Dieser neue Index dürfte die Attraktivität der japanischen Börse für ausländische Anleger steigern, die auf der Suche nach qualitativ hochwertigen Anlagezielen sind. Besonders gemessen am Kurs-/Buchwert-Verhältnis handelt Japans Markt gegenüber den meisten anderen Börsen noch mit einem Abschlag.

Unsere Anlageziele dürften hiervon ebenfalls profitieren, da fast alle Portfoliounternehmen des BL-Equities Japan (ISIN: LU0578148453) in diesem neuen Index enthalten sind.

 

Bewertungsdifferenz zwischen Japan (Topix) und dem MSCI World

Quelle: Bloomberg

 

Hitachi – ein Konzern im Wandel

Japans größter Elektronikkonzern Hitachi gilt als ein Beispiel für Unternehmen, die sich in die richtige Richtung entwickeln. Kürzlich traf ich Vertreter der Kommunikationsabteilung des Konzerns bei einer Konferenz, und wir führten ein interessantes Gespräch über die Unternehmensstrategie. Vor einigen Jahren leitete Hitachi größere Umbauten in seinem riesigen Portfolio ein: Das Unternehmen sollte auf Geschäftsbereiche mit höherer Rentabilität, geringerer Zyklusabhängigkeit sowie größerem Wachstumspotenzial fokussiert werden. Heute verfügt Hitachi über einen wesentlich besseren Mix im Business-Portfolio als vor einigen Jahren: Es hat sich aus massenmarktorientierten und kapitalintensiven Bereichen zurückgezogen, und die stabileren, dienstleistungsorientierten Aktivitäten im Bereich der sozialen Infrastruktur ausgebaut. Außerdem wurden die einzelnen Bereiche mit Blick auf eine gemeinsame Ressourcennutzung stärker integriert und so Kosteneinsparungspotenzial eröffnet. Wenngleich kein direkter Zusammenhang zwischen Hitachis Weg und dem Abenomics-Programm besteht, könnten die Strukturreformen sowie die Anreize der neuen Regierung andere Unternehmen bestärken, die gleiche Richtung einzuschlagen.

Wie sieht Japans Zukunft aus?

Japan muss strukturelle Änderungen umsetzen, um das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft zu erschließen: Es muss auf die demografischen Herausforderungen reagieren, Innovationen fördern und den Privatsektor dazu bewegen, Ressourcen aus rückläufigen Bereichen in Wachstumssegmente umzuverteilen. Wenn Japans Regierung diese Neuausrichtung durchhält und die entsprechenden regulatorischen Reformen folgen lässt, ohne die Unterstützung der Bevölkerung zu verlieren, könnten sich die Aussichten für die drittgrößte Volkswirtschaft weltweit aufhellen. Bereits jetzt steigt die Rentabilität der Unternehmen deutlich, und die Interessen der Aktionäre stehen verstärkt im Fokus. Angesichts dieser Entwicklungen und den im Vergleich zu den meisten Industrieländern niedrigeren Bewertungen bietet Japan interessante Anlagechancen.

Fokus auf Qualitätsaktien mit starkem Wettbewerbsvorteil

Allerdings sind Geduld und Durchhaltevermögen gefragt: Japans Weg zu einem nachhaltigen Konjunkturaufschwung könnte steinig sein. Aufgrund der unsicheren Wirtschaftsaussichten dürfte der beste Ansatz darin bestehen, langfristig zu denken und sich auf Qualitätsunternehmen mit Wettbewerbsvorsprung zu konzentrieren. Sie sind unabhängiger vom unsicheren Ergebnis der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen des Abenomics-Programms und gut positioniert, um von den Strukturreformen zu profitieren. Diesen Qualitätsunternehmen dürfte es gelingen, langfristig Shareholder Value zu schaffen und sich als attraktive Anlagen zu erweisen – selbst wenn Japans Weg zur Wirtschaftserholung holpriger wird als erwartet.

Steve Glod, Equity Fund Manager

Steve ist seit 2001 in der Abteilung Finanzanalyse und Vermögensverwaltung der Bank tätig. Seit 2011 zeichnet er für das Management von japanischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Zwischen 2005 und 2010 war er zusammen mit Luc Bauler verantwortlich für das Investmentmanagement amerikanischer Aktien für die Fonds der Bank. Steve hat an der ETHZ Zürich Maschinenbau mit Spezialisierung Betriebswirtschaft studiert, als Maschinenbauingenieur abgeschlossen und anschließend in diesem Fach promoviert. 2002 erwarb er den Finanzanalysten-Abschluss CEFA.

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