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Seit langem weisen wir darauf hin, dass uns unsere Investmentmethodik Qualitätsunternehmen bevorzugt. Qualitätsunternehmen definieren wir als Unternehmen, die über Wettbewerbsvorteile verfügen, mit denen sie sich von ihren Mitbewerbern abheben und so eine überdurchschnittliche Rentabilität erwirtschaften können. Diese Rentabilität wiederum äußert sich in einem hohen freien Cashflow und damit verbunden der Fähigkeit zur Eigenfinanzierung und somit einer geringen Verschuldungsquote.

In den vergangenen Monaten bzw. Jahren fanden insbesondere Qualitätsunternehmen in wenig zyklischen Branchen bei den Anlegern Anklang. Daher liegt die Frage nahe, ob diese defensive Qualitätsunternehmen, wie z. B. Nestlé, Reckitt Benckiser, Unilever, mittlerweile nicht zu teuer geworden sind. Dazu drei Beobachtungen und eine Anmerkung:

Outperformance von Danone und Unilever verglichen mit dem Gesamtmarkt

 

Quelle: Bloomberg

Zunächst die Anmerkung: Generell spielt bei allen Bewertungsmodellen das Zinsniveau eine wichtige Rolle. Die Antwort auf die gestellte Frage hängt daher stark davon ab, welche Hypothesen man - insbesondere in Bezug auf die Diskontierung der zukünftigen Gewinne und Dividenden bzw. der Eigenkapitalkosten - verwendet. Es versteht sich von selbst, dass sich mit einem (mit Verweis auf das niedrige Zinsniveau) sehr niedrig angesetzten Diskontierungssatz praktisch jeder Preis rechtfertigen lässt. Daher kommen Aktienbewertungsmodelle wie z. B. das der US-Notenbank, das die Ertragsrendite von Aktien (d. h. den Kehrwert des Kurs/Gewinn-Verhältnisses KGV) mit der Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen vergleicht, immer wieder zu dem Schluss, Aktien seien gegenüber Anleihen unterbewertet. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bei etwa 1,5 % liegt. Mit Blick auf Europa fällt der Vergleich zwischen Aktien und Anleihen noch positiver für die Aktien aus: Sie haben ein niedrigeres KGV (und somit eine höhere Ertragsrendite) als US-amerikanische Aktien und noch weniger Konkurrenz durch Anleihen, da deren Rendite aktuell nahe null liegt. Es ist jedoch offensichtlich: Je niedriger der im Bewertungsmodell verwendete Zinssatz, desto geringer auch die Sicherheitsmarge, das heißt desto größer die Gefahr für die Anlage im Falle steigender Zinsen.

Nun zu den Beobachtungen:

1. Verwendet man einen Diskontierungssatz von etwa 9 %, der in der Vergangenheit - als die Zinssätze noch nicht von den Zentralbanken manipuliert wurden - als angemessen gegolten hätte, so kommt man zu dem Schluss, dass defensive Unternehmen tatsächlich relativ teuer sind, ihr Bewertungsniveau aber noch nicht als massiv überzogen bezeichnet werden kann. Wichtiger noch: Verglichen mit dem Markt als Ganzem sind sie nicht teurer als in der Vergangenheit. Ihr überdurchschnittlich guter Kursverlauf erklärt sich durch die positivere Entwicklung ihrer Unternehmensgewinne. (Wichtig ist hier festzuhalten, dass diese Feststellung für defensive Qualitätsaktien in ihrer Gesamtheit gilt. Einige dieser Aktien sind durchaus sehr teuer geworden. Bei anderen erklärt sich die gute Gewinnentwicklung im Wesentlichen durch Aktienrückkäufe, die häufig durch Schulden finanziert wurden.) Die folgende Grafik zeigt das relative KGV von Qualitätsaktien gegenüber dem Markt. Wie zu erkennen ist, bewegt sich dieses KGV in einem ähnlichen Korridor wie in der Vergangenheit. Nun könnte man durchaus argumentieren, dass gerade diese defensiven Unternehmen angesichts der zahlreichen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Unsicherheitsfaktoren doch die größten Nutznießer des niedrigen Zinsniveaus sein müssten und daher verdienten, höher bewertet zu sein. 

Relative Bewertung von Qualitätsunternehmen im Vergleich zum Markt

Quelle: Minack Advisors

2. Nehmen wir trotzdem an, ein Anleger, der diese Unternehmen im Portfolio hält, beschließt, sie zu verkaufen, weil sie ihm zu teuer erscheinen. Er wird dann vor der Frage stehen, wie er die frei gewordenen Gelder sinnvoll wieder anlegt. Die Situation auf dem Markt für festverzinsliche Anlagen (Festgeld und Anleihen) ist so, dass die derzeitigen Renditen das eingegangene Risiko keinesfalls aufwiegen. Der Anleger kann natürlich seine liquiden Mittel behalten und eine größere Kurskorrektur von Qualitätsaktien abwarten, um anschließend erneut zu kaufen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Erfolg eines solchen Vorgehens sehr arbiträr ist. Oder aber unser Anleger könnte versuchen, andere Aktien zu kaufen, deren Bewertungsniveau ihm attraktiver erscheint. Doch wo will er solche Aktien finden? In den vergangenen Jahren sind Aktien insgesamt teurer geworden (zumindest an den Aktienmärkten der Industrieländer). Qualitätsaktien sind zwar (zu Recht) teurer als der Gesamtmarkt, doch wie wir oben gesehen haben, ist ihr Aufschlag gegenüber dem Markt als Ganzem nicht gestiegen. Unternehmen mit einer auf den ersten Blick attraktiven Bewertung wiederum sind oft in Branchen tätig, die im aktuellen Umfeld stark gefährdet sind, wie z. B. Bankaktien oder sehr zyklische Titel. In solche Branchen zu investieren, erfordert ein Vertrauen in die Weltwirtschaft und das Finanzsystem, das uns derzeit fehlt.

3. Wie zuvor gezeigt, ist das aktuelle Bewertungsniveau defensiver Qualitätsaktien zwar hoch, doch noch nicht massiv überzogen. Daraus lässt sich folgern, dass diese Unternehmen künftig eine Gesamtrendite abwerfen werden, welche niedriger sein dürfte als in der Vergangenheit, aber vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen trotzdem als vernünftig angesehen werden kann. Die Höhe der Rendite wird von dem Preis bestimmt, den Anleger beim Kauf zahlen. Es wäre daher illusorisch anzunehmen, man könne die gleichen Renditen erzielen wie in der Vergangenheit, wenn man diese Unternehmen zu einem höheren Preis kauft. Daher ist es unumgänglich, bei der Anlage in Qualitätsaktien die eigenen Renditeerwartungen nach unten zu korrigieren. Wenn das Bewertungsniveau dieser Aktien weiter steigt, wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, zu dem die erwartete Rendite so niedrig wird, dass eine Anlage in diese Werte nicht mehr sinnvoll ist. Doch dies ist derzeit noch nicht der Fall.   

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Guy Wagner stammt aus einer Unternehmerfamilie in Luxemburg und besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Université Libre Brüssel. Er trat 1986 in die Banque de Luxembourg ein, wo er zunächst die Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management leitete, bevor er 2005 zum Geschäftsführer von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer neu gegründeten Verwaltungsgesellschaft, ernannt wurde.

Seit Juli 2022 widmet er sich ausschließlich seiner Rolle als Chief Investment Officer, dem Portfoliomanagement und der Leitung des Teams, das für die Verwaltung der verschiedenen Fonds verantwortlich ist.

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